Wohltäter in weiß? Kommentar zum Interview des „Tagesspiegels“ mit Dr. Uwe von Fritschen

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Ein bedauernswertes Fazit, das ich nach über 25 Jahren intensiver Arbeit auf dem Gebiet der weiblichen Genitalverstümmelung immer wieder ziehen musste – und auch aktuell ziehen muss ist, dass sich die deutsche Ärzteschaft in diesem Bereich noch nie mit Ruhm bekleckert hat, im Gegenteil: Während sie die Einführung der wichtigsten Grundlage für die Strafverfolgung von Verstümmelungstätern – die ärztliche Meldepflicht – ablehnt, gerieren sich einzelne Ärzte als fragwürdige Wohltäter in weiß, wie  der Chefarzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie des Helios Klinikums Emil von Behring in Berlin, Dr. Uwe von Fritschen, in einem Interview mit dem Tagesspiegel einmal mehr belegt:

Kulturrelativistische Bagatellisierung & narzisstisches Helfersyndrom

Die Botschaft des ebenso handzahmen wie völlig unbedarften Tagesspiegel-„Journalisten“ Boris Buchholz wird dem geneigten Laser gnadenlos eingehämmert: Herr Dr. von Fritschen ist ein Held! Schließlich korrigiert er die „körperlichen Folgen der Verstümmelung…“  Ja! WOW! Super! – mag Mann/Frau/Divers im ersten Moment womöglich denken – aber beim genaueren Blick auf den Mindset dieses Mediziners womöglich genauso schnell revidieren. Denn während von Fritschen ein  „großes Glück“ empfindet, „Einzelnen helfen zu können“, verbreitet er stumpfsinnige, kulturrelativistische Mythen über den Kontext der Genitalverstümmelungen, enthebt die Täter und die Haupttriebkraft bei der Verbreitung und Aufrechterhaltung dieser Gewalt – den Islam – ihrer Verantwortung und macht uns – den Mitgliedern einer Zivilgesellschaft, die dieses Gewaltverbrechen und seine Täter naturgemäß als abstoßend und pathologisch empfinden – ein schlechtes Gewissen: 

So behauptet von Fritschen unwidersprochen, die familiären Verstümmelungstäter wollten „ihren Kindern ja nicht schaden“ – seien im Grunde also „gute Menschen“, die nur ein bisschen dumm seien und mit ein bisschen „Wissen“  und „Aufklärung“ auf Spur gebracht werden könnten. 

Er fordert von uns, NICHT „von oben herab mit der Tradition der Female Genital Mutilation (FGM) umzugehen“, sondern „auf Augenhöhe“ …“die Zerrissenheit der Familien“ und „den komplexen sozialen Hintergrund zu verstehen“. Wir sollten den „Beteiligten“ =  Tätern „nicht mit einer Vorwurfhaltung entgegentreten“. Gehts eigentlich noch zynischer?

Diese Behauptung/Forderung ist so falsch, dass noch nicht einmal das Gegenteil davon richtig wäre, denn:

Merke: Genitalverstümmelung ist eine systematische Gewaltform, die mit Liebe oder „guten Absichten“ NICHTS zu tun hat. Es handelt sich um eine  Machtaktion, die zu absichtlicher Verletzung führt.  Es geht darum, den Willen des Opfers, über das Gewalt ausgeübt wird, zu missachten, zu brechen und unter den Eigenen zu unterwerfen. Sie ist sowohl perfideste Missachtung als auch Respektlosigkeit und Vertrauensmissbrauch, da die kindlichen Opfer von den Tätern/Antstiftern vollkommen abhängig sind und eigentlich Liebe und Schutz erwarten. Studien aus den Verstümmelungsgesellschaften belegen das unfassbares Maß genereller, innnerfamiliärer Gewalt in Form physischer und psychischer Misshandlung von Kindern.

Der von Fritschen geforderte „Dialog auf Augenhöhe“ ist eine ekelerregende Farce und ideologische, kulturrelativistische Perversion, denn NIEMAND bei klarem Verstand und mit einem einigermaßen funktionierenden moralischen Kompass kommt auf die Idee,  sich auf die „Augenhöhe“ einer Kultur begeben zu wollen, in der die bestialische Verstümmelung von Kindern an der Tagesordnung ist, geschweige denn auf die seiner Täter/Anstifter.

Die empirischen Fakten widerlegen zudem seit langem den von westlichen Akteuren fälschlicherweise kreierten Zusammenhang zwischen der Prävalenz von Genitalverstümmelung und mangelnder Bildung, denn die gebildeten Eliten mit den höchsten sozialen Standards verstümmeln ihre Töchter im gleichen oder sogar größeren Ausmaß wie Vertreter der untersten und ärmsten sozialen Schichten der Gesellschaft.

Die Frage ist nun, ob Herr von Fritschen tatsächlich keine Ahnung von der Materie hat aber dafür viel Meinung, die er kundzutun sich nicht verkneifen kann – oder ob er besonders angepasst und politisch korrekt erscheinen will bei seiner „Klientel“. Wobei: Es ist egal, WAS ihn treibt, FAKT ist, dass er mit seinen kruden Ansichten Schaden anrichtet und einem wirksamen Vorgehen gegen die Verstümmelungstäter ideologische Steine in den Weg legt – unabhängig davon, ob er sich narzisstisch bestätigt und als vermeintlicher „Helfer“ fühlen darf. 

Außerdem entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass die Klinik, in der der werte Herr Doktor als Chefarzt agiert – bzw. er selbst – im gleichen Atemzug die gewinnbringende Verstümmelung (weißer) Frauen anbieten:

 „Schamlippenverkleinerungen“ = Abschneiden/Zurechtstutzen der kleinen Labien

„Die inneren Schamlippen werden als zum Körper passend bezeichnet, wenn sie knapp von den äußeren bedeckt sind.“  heißt es auf der Webseite der Klinik. „Unsere Spezialisten bieten Ihnen hochmoderne Verfahren zur Korrektur der weiblichen Geschlechtsorgane.“ 

Ist das nicht Klasse?

Halten wir fest:  Wenn in misogynen Unterdrückungsgesellschaften Mädchen und Frauen die Genitalien abgeschnitten werden, dann handelt es sich um einen „grausamen Eingriff“, aber wenn hiesige Frauen ihre Schamlippen im Zuge einer (pädophilen?) Normierung „freiwillig“ abschneiden lassen, dann sprechen wir von „hochmodernen Verfahren zur Korrektur der weiblichen Geschlechtsorgane.“

Schließlich könnten großzügig ausgeprägte Schamlippen „beim Sport stören und zum Beispiel beim Radfahren schmerzen.“

Mimimimi! Wer soll hier eigentlich für dumm verkauft werden?

Schlecht kaschierte Menschenverachtung

Im Grunde haben wir es mit einem boshaften, menschenverachtend Mindset zu tun. Ich empfehle an dieser Stelle einmal mehr die brillante Einlassung meiner viel zu früh verstorbenen Mentorin Monika Gerstendörfer, in der sie bereits vor mehr als 15 Jahren das Problem der als Intim-Chirurgie getarnten Verstümmelungen auf den Punkt brachte:

„Was hier gerade zum „Trend“ wird, ist keine Fortsetzung eines Schönheitswahns, sondern die der Funktionalisierung und Infantilisierung des Frauenbildes durch Lolitafans, durch Pädokriminelle und andere Frauenhasser und Sadisten. Da sind die Werbefotos von Po und Schenkel vorpubertierender Mädchen als Vorbild für erwachsene Frauenkörperteile ja noch richtig harmlos! Aber sie waren zweifelsohne Wegbereiter für die totale Hirnwäsche für Frauen; einzig und allein zu dem Zweck, aus uns leere, verfügbare und empfindungslose Hüllen„menschen“ zu machen. Nein, besser: Maschinen, die dafür auch noch bezahlen sollen, wenn ihnen Teile der Genitalien – und damit ihrer einzigartigen Identität – weggebrannt und weggeschnitten werden.“

Ich sage es wie es ist und pfeife auf „political correctness“: Figuren wie von Fritschen widern mich an. Sie profitieren von einem Gewaltverbrechen, indem sie sich als „Helfer“ gerieren, tun im Grunde das gleiche, nur unter anderem Vorzeichen und meinetwegen in „abgeschwächter Qualität“ und behindern die Zivilgesellschaft in ihrem Verständnisprozess gegenüber dieser Gewalt und einem angemessenen Umgang mit den Tätern. Sie sind schlichtweg als Teil des Problems.

#magafail!

Foto (c) ScreenShot Tagesspiegel, 11.03.2021

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