Genitalverstümmelung an Mädchen in Hamburg: Jugendamt verweigert sicheren Schutz – Teil 2

Genitalverstümmelung an Mädchen in Hamburg: Jugendamt verweigert sicheren Schutz – Teil 1
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Genitalverstümmelung an Mädchen in Hamburg: Kritik an Jugendamt wegen Unterlassung sicheren Schutzes
20. Februar 2012

Hamburger Jugendämter zeigen keine Verstümmelungs-Täter an

Fortsetzung unseres Berichtes über die Verstümmelung mehrerer in Hamburg lebender  Mädchen, die akute Gefährdung ihrer beiden jüngsten Schwestern – und das Versagen des Jungendamtes

Wir wir Anfang 2010 berichteten, hat das Schweigen diverser deutscher Mitwisser die angemessene und gebotene Strafverfolgung für mehrfache Genitalverstümmelungstäter in Hamburg vereitelt. Für die beiden jüngsten Schwestern war das zuständige Jugendamt bislang nicht bereit, alle nötigen Maßnahmen zum Schutz der Mädchen einzuleiten.

Doch auch der Umgang des Jugendamts mit den Tätern selbst gibt Anlass zu Kritik:

Wie aus dem Protokoll des Falles hervorgeht, zog das Jugendamt zu keinem Zeitpunkt in Erwägung, die Täter-Eltern für die Verstümmelung ihrer Töchter anzuzeigen!

Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Jugendämter – ebenso wie Ärzte – der gesetzlichen Schweigepflicht unterliegen. Gemäß der Vorschriften zur Schweigepflicht ist es Jugendamts-Mitarbeitern untersagt, Verbrechen an die Strafverfolgungsbehörden zu melden, wenn diese Meldung ausschließlich der Strafverfolgung dient. Im aktuellen Fall hätte das Jugendamt jedoch durchaus die Staatsanwaltschaft informieren können, da die akute Gefährdung der zwei jüngsten Mädchen eine Wiederholungsgefahr impliziert: Doch die Prüfung der Möglichkeiten der Strafverfolgung der beiden Täter-Elternteile wurde durch das Jugendamt nicht veranlasst.

Das bestätigte uns Roland Schmitz – Kinderschutz-Koordinator beim Jugendamt Hamburg Nord –  während eines Gesprächs im Juli 2011 und teilte und mit, dass das Jugendamt, sollte es Kenntnis von verübten Genitalverstümmelungen erhalten, tendentiell grundsätzlich keine Meldung an die Strafverfolgungsbehörden gäbe, denn

– die Verstümmelung könne dadurch nicht rückgängig gemacht werden und
– das Mädchen könne sich „schuldig“ fühlen, wenn es u.U. in einem Verfahren gegen die eigenen Eltern aussagen müsse bzw. durch den Einsatz eines Verfahrenspflegers erleben müsse, dass die Tat der Eltern so viel Aufruhr verursacht.
Nicht nur, dass auf diese Weise – unter dem perfiden Vorwand, die „Interessen des Kindes zu wahren“–  aktiver Täterschutz bei einem schweren Gewaltverbrechen gegen Kinder betrieben wird, sondern nach Schmitz‘ Logik müsste unser gesamtes Strafrecht als überflüssig abgeschafft werden, da i.d.R. keine wie auch immer geartete Straftat „rückgängig gemacht werden kann“.

Doch damit nicht genug:

Das Jugendamt entschied sich ganz bewusst gegen regelmäßige Unversehrtheitsuntersuchungen der gefährdeten Mädchen – und somit gegen das einzige valide Kontroll- und Präventionsinstrument zum Schutz der Kinder

Die Begründung, mit der Roland Schmitz dies rechtfertigt, ist ebenso fragwürdig wie die seiner Ablehnung, Verstümmelungstäter anzuzeigen:

Schmitz verkennt einerseits die Gefahr, mit der die Mädchen auch in Deutschland/Hamburg bedroht sind:

Er vertritt die Auffassung, die Mädchen seien in Hamburg nicht gefährdet – obwohl bekannt ist, dass Verstümmelungstäter Mittel und Wege finden (z.B. durch extra eingeflogene Verstümmlerinnen), das Verbrechen auch hierzulande zu verüben – und es sich im konkreten Fall um uneinsichtige potentielle Wiederholungstäter handelt.

Außerdem habe man sich gegen regelmäßige Unversehrtheits-Kontrollen entschieden, „weil man die Mädchen nicht auf ihre Geschlechtlichkeit reduzieren wolle“ !

Von unserem Einwand, dass es bei dieser Maßnahme keineswegs um eine „Reduzierung“ handele, sondern um ein zwangsläufiges Erfordernis zum Schutz der Mädchen, das auf die Art und Weise der Misshandlung (Verstümmelung des Intimbereichs) zurückzuführen ist und aufgrund der Tatsache, dass den Tätern die Möglichkeit genommen wird, ihre Tat unentdeckt und folgenlos verüben zu können, zu wirksamer Prävention führt, wollte Schmitz nichts wissen.

Auch die gängige Rechtssprechung, nach der die Gefahr von Genitalverstümmelung durch Einschränkung des Aufenthaltsbestimmungsrechts abzuwenden ist, hält Schmitz für problematisch, schließlich würden „damit ebenfalls Rechte verletzt und es könne ja sein, dass ein Mädchen unbedingt seine Oma besuchen wolle. Man könne ja z.B. auch eine Vereinbarung mit den Eltern treffen, das Mädchen nicht verstümmeln zu lassen und nach der Rückkehr von der Reise zur Oma das Mädchen befragen…“

Die kritikwürdige Haltung von Roland Schmitz gibt nicht nur im Hinblick auf den mangelnden Schutz der 2 Mädchen im Fall Anlass zur Sorge, sondern vor allem auch deshalb, weil Herr Schmitz redaktionell und inhaltlich für die Erarbeitung von Handlungsempfehlungen der Hamburger Jugendämter für den Umgang mit Genitalverstümmelungen zuständig ist.

Es bleibt zu befürchten, dass die von ihm erarbeiteten „Handlungsempfehlungen“ nicht im Sinne des staatlichen Wächteramtes oder der üblichen Schutz-Standards für FGM-gefährdeten Mädchen ausfallen werden und auch nicht auf das Interesse der Kinder fokussiert sein werden, konsequent vor der schweren Misshandlung durch Genitalverstümmelung geschützt zu werden.

Mangelhafte Hilfe haben wir aber nicht nur bei Roland Schmitz eruiert, sondern auch bei seinem Kollegen Paul Maris-Popescu, der im Jugendamt Hamburg-Mitte als Kinderschutz-Koordinator tätig ist und im Juni 2009 keinen rechtlichen Handlungsbedarf gesehen hatte, als eine Frau aus Gambia gegenüber Dritten die Verstümmelung ihrer Tochter während einer „Ferienreise“ nach Gambia angekündigt hatte:

Weil die Frau dann gegenüber dem Jugendamt erwartungsgemäß zur Protokoll gab, sie hege diese Absicht nicht (welcher Straftäter gibt wohl gegenüber einer Behörde die Planung einer Straftat zu?) legte das Amt den Fall zu den Akten. Erst nach einem Beschluss des AG Hamburg Harburg, den die TaskForce initiiert hatte, konnte das Mädchen sicher vor der Verstümmelung in Gambia geschützt werden…

Abwesenheit eines realistischen Problembewussteins und des Willens zu handeln – trotz eines guten Informationsstandes – als Ausdruck politischer Einstellung

Entgegen der weit verbreiteten Meinung, fehlender Schutz für Mädchen vor Genitalverstümmelung beruhe auf einem „Mangel an Informationen“ bei den Behörden, stellt die TaskForce regelmäßig fest – z.B. auch in Hamburg – dass der Informationsstand zu dieser Problematik prinzipiell als „gut“ eingeschätzt werden kann.

Der bewusste (!) Verzicht auf die Umsetzung geeigneter Schutzmaßnahmen für gefährdete Kinder bzw. die Strafverfolgung der Täter basiert nach unseren Erfahrungen vielmehr auf einer politischen Einstellung und Grundhaltung, die nicht den Schutz von Kindern – die keine Lobby haben – priorisiert, sondern die Interessen der Täter (bzw. Tätergruppen) stärkt.

 

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