In Österreich wurde bereits im Jahr 2000 eine bisher einmalige Studie von 16 WissenschaftlerInnen und ÄrztInnen durchgeführt.

Die Studie belegt mit Zahlen und Fakten die geradezu selbstverständliche Weiterführung von Genitalverstümmelungen „vor unserer Tür“:

  • Rund 40% der Mädchen wurden bereits verstümmelt, bzw. werden in absehbarer Zeit verstümmelt (da sie nach Angaben der Befragten zum Zeitpunkt der Studie noch zu jung waren).
  • Die Täter verfügen über genaue Kenntnis der  Strafbarkeit der Verstümmelungen hier in Europa (was dazu führt, dass  sie ins Ausland ausweichen, siehe S.19)
  • Die überwiegende Mehrheit der Täter ist über die  schädlichen Folgen der Praxis auf die Opfer informiert – aber: daraus resultiert KEINE Bereitschaft, die Gewalt aufzugeben (siehe S.24)
  • Die Tätergruppen in Europa gehören keineswegs nur einer ungebildeten, sozial schwachen Schicht an, sondern sind gebildete Akademiker und Berufstätige (siehe S. 19)

Sie können die Studie downloaden. Hier einige Zitate:

Seite 17/18:

Laut vorliegender Studie, waren 88 von 252 Mädchen (35 %) einem FGM-Eingriff unterzogen worden. Das Alter der Mädchen zum Zeitpunkt des Eingriffs spiegelt die Situation wider, die im Herkunftsland des Befragten vorherrscht (siehe die Situation in Afrika im vorhergehenden Kapitel).

Seite 21:

Weitere 6,2 % der Befragten gaben das Alter als Grund für die Ablehnung an, das heisst, das Kind ist noch zu jung. Das bedeutet mit anderen Worten nur einen Aufschub des Eingriffs. Dieser Entschluss heisst weiters, dass der Eingriff höchstwahrschienlich vorgenommen wird, wenn die Tochter alt genug dafür ist, nämlich zwischen 6 und 13 Jahren.

Seite 19:

Laut dieser Untersuchung hat das Verbot der weiblichen Genitalverstümmelung in vielen Teilen Europas die Eltern gezwungen, für diesen Eingriff in ihr Herkunftsland zu reisen. Von den 54 Familien, die ihre Töchter der Genitalverstümmelung unterzogen, liessen 88,5 % dies im afrikanischen Heimatland praktizieren. Die restlichen 11,5 % liessen die Genitalverstümmelung in Europa durchführen. Dieser Prozentsatz teilt sich noch auf und zeigt, dass in Österreich 1,9 % der Eltern die Töchter operieren liessen,  während 9,6 % der Eltern den Eingriff in Deutschland und Holland durchführen liessen. (…)

Aus der Untersuchung geht hervor, dass zwei Drittel (66,7 %) der befragten Eltern, an deren Töchtern die Beschneidung der Genitalien vorgenommen wurde, den Eingriff in Spitälern und/oder Ambulanzen vornehmen liessen. Nach den Erfahrungen Afrikas ist dies ein relativ hoher Prozentsatz. Dies zeigt auf, dass die Befragten Akademiker aus dem städtischen Milieu sind, die Zugang zu modernen Gesundheitseinrichtungen haben.“

Seite 20:

Die Ergebnisse zeigen, dass 30,4 % (76) der Befragten angaben, dass sie wüssten und auch Informationen darüber hätten, dass in Österreich geborene Kinder von MigrantInnen einem FGM-Eingriff unterzogen werden. (…)

Anschliessend an diese Frage wurden die Untersuchten, die angaben, über die Genitalverstümmelung von Migrantenkindern zu wissen, aufgefordert, aus ihrer persönlichen Erfahrung heraus anzugeben, wo die Mädchen beschnitten wurden. Die Befragten gaben jeweils mehr als einen Ort an, an dem die Eingriffe durchgeführt werden. Es ergab sich folgende Reihung der Orte, an denen Beschneidungen stattfinden: 63 Befragte gaben an, der Eingriff wäre in Afrika durchgeführt worden, 29 gaben Europa und weitere 21 Österreich als Ort der Operation an. In den letzeren zwei Fällen wurde angegeben, dass die Eingriffe in Spitälern gemacht wurden. Es gab aber darüber keinerlei zusätzliche Informationen.

Seite 24:

In den vorangehenden Kapiteln wurde gezeigt, dass 56,8 % der untersuchten Gruppe wissen, dass FGM Nebenwirkungen bei Frauen und Kindern hervorruft. Es wurde auch aufgezeigt, dass 54,4 % keinerlei positive Auswirkungen des FGM-Eingriffs kennen. Dieses Wissen scheint aber ihre Haltung gegenüber einer Ausrottung der FGM-Praktiken nicht zu beeinflussen. Nur 24,4 % (60) der Befragten befürworten die völlige Abschaffung der FGM. Die Mehrzahl, nämlich 76 % sind gegen die völlige Abschaffung der Genitalverstümmelung.

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Innerhalb der Hoch-Risikogruppen, d.h. MigrantInnen aus Ländern mit höchsten Verstümmelungsraten (siehe Handlungsleitfaden für Jugendämter ) sieht es noch düsterer aus:

Uns liegen Informationen „direkt von der Basis“ vor, dass z.B. innerhalb der somalischen Communities in Europa zwischen 70 und 80% (!) der hier lebenden Mädchen verstümmelt werden:

In einem Artikel der holländischen Zeitung „Trouw“ vom 11. Januar 2007 kommen – unabhängig voneinander – zwei somalische SozialarbeiterInnen zu Wort, die aufgrund ihrer Arbeit mit somalischen Familien die Situation wir folgt einschätzen:

Zahra Abdi: ‚Ich schätze, dass ungefähr achtzig Prozent der Mädchen in den Risikogruppen noch der Verstümmelung unterzogen wird. Es ist ein offenes Geheimnis. Die Mütter machen es nicht selber, gehen aber in den Sommerferien zum Beispiel nach London. Dort arbeitet ein sudanischer Arzt in einer speziellen Klinik, der die Verstümmelungen ausführt. Es handelt sich dabei um Mädchen ab vier Jahren.’

„Soziologin Zahra Naleie von FSAN (Föderation Somalische Allianz Niederlande) ist mit der neuen Vorgehensweise…eng verbunden. Naleie bestätigt die Darstellung. ‚Achtzig Prozent der Mädchen ist eine sehr realistische Zahl’. Laut der Soziologin reisen die Frauen nicht nur nach Großbritannien, aber auch nach Italien oder in das Heimatland. ‚Sie fragen mich sogar manchmal, ob ich einen Arzt kenne, der es machen kann. Es gab auch jahrelang eine Krankenschwester, die jedes Jahr Familien besuchte und dort die Mädchen verstümmelte. Bis vor ein paar Jahren kam man noch ziemlich einfach in Delft, Rotterdam oder Zutphen zurecht..“

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Die Waris-Dirie-Foundation führte im Zuge der Recherchen zu dem Buch „Schmerzenskinder“ monatelang Undercover-Recherchen durch – und musste feststellen, dass „es nichts gibt, was es nicht gibt“ – von präzise organisierten Gruppen-Verstümmelungs“Reisen“ über Verstümmelungen in Kliniken oder MassenVerstümmelungen in Hinterhöfen etc…

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Die norwegische Organisation „Human Rights-Services“ gehört zu den ersten in ganz Europa, der ein intensiverer Blick hinter die Kulissen der „somalischen Community“ in Norwegen/Europa gelang:

Storhaug geht von mindestens 70% Verstümmelungsrate aus…Und das ist längst nicht alles: Kinderverheiratungen, Zwangsehen, Menschenhandel  usw. sind an der TagesOrdnung. Zusätzlich wurde massive familiäre Gewalt als grundsätzliche Tendenz beobachtet, in Form von physischer und psychischer Misshandlung von Kindern – besonders Mädchen.

Lesen Sie auch Hege Storhaug’s Artikel „Das Ende der Geduld“ über Kinderbräute und Genitalverstümmelung im Westen

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Der enorm hohen Anzahl minderjähriger Verstümmelungsopfer steht eine fast völlig fehlende Strafverfolgung der Täter gegenüber: Obwohl mehrere europäische Länder einen eigenen Straftatbestand „Genitalverstümmelung“ zum Verbot dieser Gewalt geschaffen haben, bleiben die Täter, insbesondere die Anstifter (Familie) weitgehend ohne Strafe. Ursache dafür sind die – in allen Ländern fehlenden – rechtlichen Rahmenbedingungen, um die Verstümmelungen lückenlos feststzustellen (durch Untersuchungspflicht) und an die Strafverfolgungsbehörden zu melden (durch ärztliche Meldepflicht).