Genitalverstümmelung an Mädchen: SPD will Strafmaß weiter herabsetzen*…

Neu im Blog: Genitalverstümmelung & Bundesärztekammer – Populismus statt wirksamer Hilfe
11. März 2013
Genitalverstümmelung: Scharfe Kritik an Gesetzesentwürfen von Bundesrat und SPD: Milde Strafen sollen die Täter vor Abschiebung schützen
24. April 2013

…damit die Verstümmelungstäter nicht abgeschoben werden!

Wenn es nach der SPD geht, so stellt Genitalverstümmelung keine „schwere Körperverletzung dar“ und das Mindeststrafmaß soll nur ein Jahr betragen, damit die Täter nicht abgeschoben werden können.

Nachdem im Jahr 2009 die erste parlamentarische Initiative zur Strafrechtsänderung beim Tatbestand „Genitalverstümmelung an Mädchen“ gestartet wurde, stellt es mittlerweile schon fast eine Herausforderung dar, den Überblick über die Gesetzesentwürfe der einzelnen Fraktionen zu behalten. Verabschiedet wurde in immerhin knapp vier Jahren noch nichts.

Jetzt hat laut gestriger Meldung des Bundestags auch die SPD einen Gesetzesentwurf eingebracht, mit dem ein eigener Straftatbestand „Genitalverstümmelung an Mädchen“ geschaffen werden soll. Mit dieser Maßnahme soll die Tat „zum Verbrechen hochgestuft“ werden, heißt es.

Die TaskForce kritisiert von Anfang an generell diese Bemühungen und begründet fundiert, warum von den geplanten Strafrechtsänderungen kein Schutz für die Opfer und auch keine Verbesserung der Strafverfolgung zu erwarten ist und hat bereits mehrere Artikel zu den Hintergründen veröffentlicht.

Umso mehr macht es Sinn, den aktuellen SPD-Antrag etwas genauer unter die Lupe zu nehmen, da hier – gegenüber den Anträgen von Bundesrat und Bündis 90/Die Grünen – sowohl eine geringere strafrechtliche Klassifizierung als auch erhebliche Herabsetzung des Strafmaßes vorgesehen sind:

Für die SPD ist Genitalverstümmelung keine schwere Körperverletzung.

Sowohl der Gesetzesentwurf des Bundesrates als auch von Bündnis 90/Die Grünen erkennt bei aller Kritikwürdigkeit die genitale Verstümmelung von Mädchen zumindest als schwere Körperverletzung nach §226 StGB an und sieht vor, den besonderen Straftatbestand in diesem Paragraphen zu verankern.

Für die SPD hingegen stellt Genitalverstümmelung lediglich eine – strafrechtlich geringer bewertete – gefährliche Körperverletzung nach § 224 StGB dar, denn die SPD-Parlamentarier wollen den expliziten Tatbestand Genitalverstümmelung in diesen Paragraphen einfügen.

Die SPD will das Mindeststrafmaß für Genitalverstümmelung auf ein Jahr herabsetzen, um die Täter vor der Abschiebung zu bewahren.

Im Vergleich zu den Gesetzesentwürfen von Bündnis 90/Die Grünen (der ein Mindestrafmaß „nicht unter drei Jahren“ implizierte) und dem Bundesrat (mit einem Mindeststrafmaß „nicht unter zwei Jahren“) sieht der Entwurf der SPD die Herabsetzung des Eingangs-Strafmaßes auf ein Jahr vor:

„Dem § 224 wird folgender Absatz 3 angefügt: „Besteht die Körperverletzungshandlung in der Beschneidung oder Verstümmelung der weiblichen Genitalien, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr zu erkennen.“

In der Begründung wird dabei als einzige Intention die Bemühung deutlich, die Täter vor einer möglichen Abschiebung zu bewahren:

„Eine Freiheitsstrafe von drei Jahren hat die zwingende Ausweisung gemäß § 53 Aufenthaltsgesetz zur Folge. Genießen die betroffenen Eltern besonderen Ausweisungsschutz, etwa weil sie seit mindestens fünf Jahren in Deutschland leben, wird die zwingende Ausweisung zur Regelausweisung herabgestuft. Bei nichts ehr lange hier lebenden Familien wäre die Ausweisung zwingend…“

und

Bei einem Strafrahmen von zwei bis 15 Jahren ist ein Strafausspruch

In Deutschland lebende Mädchen werden bislang weitgehend schutzlos der Genitalverstümmelung ausgeliefert. Die Gesetzesinitiativen der Parlamentarier belegen, dass sich daran auch in Zukunft nichts ändern soll.

von drei Jahren auch bei einem Ersttäter schnell erreicht, so dass auch der Vorschlag des Bundesrates regelmäßig die zwingende (oder Regelausweisung) der Eltern zur Folge hätte…“

Fazit:

Entgegen der Verlautbarung des Bundestages beinhaltet der Gesetzesentwurf der SPD keineswegs eine strafrechtliche Heraufstufung der Genitalverstümmelung sondern vielmehr eine Herabsetzung des möglichen Mindeststrafmaßes, denn aufgrund der in der Praxis nicht existenten Strafverfolgung fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass Genitalverstümmelung nicht bereits nach geltendem Recht als Verbrechen geahndet würde (z.B. Misshandlung Schutzbefohlener, §225 StGB, Abs. 3 oder schwere Körperverletzung § 226 StGB).

Mit dem vorgeschlagenen geringen Eingangsstrafmaß von einem Jahr und der Klassifizierung von Genitalverstümmelung lediglich als „gefährliche Körperverletzung“ will die SPD für Verstümmelungstäter einen Sonderstatus schaffen, um sie vor möglicher Abschiebung zu schützen.

Da verwundert es auch kaum, dass die SPD die Verstümmelungsgewalt fast durchgehend als „Beschneidung“ verharmlost und trotz besseren Wissens die Zahl der gefährdeten Mädchen mit 5.000 um rund 90% zu niedrig angibt.

Der Gesetzesentwurf der SPD ist sicher geeignet, die Position und Interessen der Verstümmelungstäter (z.B. durch Schutz vor Abschiebung) zu stärken, doch dient er damit keineswegs den Opfern oder der wirksamen Ächtung und Bekämpfung der auch in Deutschland weit verbreiteten Verstümmelungsgewalt.

Weitere kritische Artikel der TaskForce zu den Gesetzesinitiativen und parlamentarischen Ergebnissen:

Kritik an Gesetzesinitiative zu eigenem Straftatbestand Genitalverstümmelung (2009)

Keine Änderungen im Strafrecht bitte! (2009)

Bundesratsinitiative will Mindeststrafe für Genitalverstümmelung herabsetzen (2010)

Neuer Straftatbestand „Genitalverstümmelung“ ist Volksbetrug – und Betrug an den Opfern (2010)

Bundesrat will Genitalverstümmelung nicht völlig verbieten (2010)

Bundestag soll Strafrechtsänderung zu “Genitalverstümmelung” ablehnen! (2010)

Genitalverstümmelung an Mädchen in Deutschland: Gesetzesantrag von Bündnis90/Die Grünen entpuppt sich als Mogelpackung (2012)

Genitalverstümmelung: Seit 16 Jahren Thema im Bundestag – und immer noch “grünes Licht” für die Täter … (2011-2013)

* im Vergleich zu den Gesetzesentwürfen von Bündnis 90/Die Grünen und dem Bundesrat

Fotos: (c) Makrodepecher/Pixelio, iStockphoto

7 Comments

  1. Rerun sagt:

    Die Politk wird noch an dem Spagat die Mädchenbeschneidung in jeglicher Form zu kriminalisieren und gleichzeitig die Jungenbeschneidung ebenfalls in jeglicher Form explizit zu legalisieren und als elterliches Recht zu deklarieren zerbrechen. Ohne medizinische Indikation haben Erwachsene an den Genitalien von Kindern beiderlei Geschlechts genau gar nichts zu suchen.

  2. Jürgen Wessel sagt:

    Da gebe ich Dir Recht, liebe Ines, das wäre konterkarierend. Vermutlich werden die Strafen ggf. dann auch noch zur Bewährung ausgesetzt, also quasi ein Freibrief für die Täter/innen . Die Verharmlosungspezialisten/innen lassen grüßen!

  3. Gerhard sagt:

    Genitalverstümmelungen von Mädchen und Jungen gehören als schwere Körperverletzung bestraft, wann begreift ihr Sexistinnen das endlich.

  4. Ursula sagt:

    Wie schäbig! Die sollten mal mit dem somalischen Fotomodel Waris Diri (stimmt die Schreibweise des Nachnamens?) sprechen. diese Frau wurde als Dreijährige genitalverstümmelt mit einem rostigen Messer. Sie war dann immer wieder sehr krank. Ihre Schwester ist sofort gestorben und eine andere Schwester bei der Geburt ihres Kindes. Seither kämpft Waris gegen Mädchenbeschneidungen. In solchen Ländern kämpfen Mädchen und Frauen um elementarste Menschenrechte und um eine einigermaßen normale Behandlung, und unsere SPD-Politiker wissen nichts besseres, als übelsten Menschenrechtsverletzungen das Wort zu reden und diese bei uns zu installieren – und das alles für ein paar Wählerstimmen.

  5. […] Für die SPD hingegen stellt Genitalverstümmelung lediglich eine – strafrechtlich geringer bewertete – gefährliche Körperverletzung nach § 224 StGB dar, denn die SPD-Parlamentarier wollen den expliziten Tatbestand Genitalverstümmelung in diesen Paragraphen einfügen.[..] TaskForce […]

  6. […] zu den Plänen von Bundesrat und SPD, die vor allem die Interessen der Täter stärken und sie mit geringen Eingangsstrafen vor einer möglichen Abschiebung schützen […]

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